Das Schlettauer Schloß (6)

Eine geschichtliche Studie von Schuldirektor Paul Thomas.

(5. Fortsetzung.)

Schlettau unter dem Kloster Grünhain.

Im Jahre 1413 hatte, wie wir in der vorigen Nummer der Heimatblätter erfuhren, Fritz von Schönburg die Pflege Schlettau an das Kloster Grünhain verkauft bez. vertauscht. Schlettau blieb im Besitzstande der Abtei bis zum Jahre 1536, wo mit der Säkularisierung des Klosters die Herrschaft Schlettau zum Machtbereich der Wettiner geschlagen wurde. Der Zeitraum von 1413 bis 1536 hat unserer Stadt viel sturmbewegte und inhaltreiche Jahre gebracht.

Das Kloster Grünhain war im Jahre 1236 gegründet worden. Mönche aus dem Kloster Sittichenbach am Harz waren — vermutlich durch Bergleute veranlaßt — ins Erzgebirge gekommen, um hier ihre segensreiche Tätigkeit aufzunehmen. Die Grünhainer Mönche gehörten dem Orden der Cisterzienser an. Der Stifter des Ordens, der heilige Bernhard von Clairvaux, hatte den Brüdern zur Pflicht gemacht, weniger durch wissenschaftliche Arbeiten als vielmehr durch kolonisatorische Tätigkeit der Menschheit zu dienen. So wurden die Cisterzienser überall, wo sie hinkamen, Kulturpioniere; sie haben sich für die wirtschaftliche Erschließung des Bodens unvergleichliche Verdienste erworben; sie rodeten die Wälder und schufen ertragreiches Ackerland, sie machten Einöden urbar, legten Sümpfe und Moore trocken, führten Obst- und Weinbau ein, suchten die Fischzucht zu heben und brachten Gemüse- und Heilpflanzen ins Land. Die Grünhainer Gegend war für Cisterziensermönche das gegebene Betätigungsfeld.

Die Cisterzienser nannten sich nach dem Ursprungskloster Cistercium, dem heutigen Citeaux in Burgund. Die Ordensregel schrieb den Brüdern die größte Einfachheit vor. Beim Bau der Abtei mußte jeder Prunk vermieden werden. Man findet bei den Cisterzienserniederlassungen keine Glockentürme aus Stein, die heiligen Gefäße durften nicht aus Edelmetall hergestellt werden. Die Kleidung war denkbar einfach. Abt und Mönche trugen ein Hemd aus weißer Wolle und ein graues Oberkleid mit weiten Aermeln und eine Kapuze. Ueber die Kutte ging eine schwarze Doppelschürze, die auch den Rücken bedeckte. Das Ganze wurde durch einen um die Hüften gelegten Gürtel oder Strick zusammengehalten. Sie schliefen auf hartem Lager und legten des Nachts ihre Kleidung nicht ab. Durch strenge Fasten, Geißelungen und Aderlässe suchten sie den sündigen Leib abzutöten. Jeder hatte seine eigene Zelle; Schreibtafel und Griffel, eine Nähnadel, ein Messer und ein Handtuch machten den ganzen Hausrat in der Zelle aus.

Man findet es verständlich, daß die Cisterzienser überall gern aufgenommen wurden und daß die Landherren ihnen bereitwilligst Grund und Boden zur Niederlassung einräumten. Die Fürsten und Herren zeigten sich auch sonst erkenntlich. Durch große Schenkungen und Stiftungen bereicherten sie den Besitzstand unausgesetzt, und nicht selten kam es vor, daß sich die weltlichen Machthaber im Kloster ein Erbbegräbnis ausgedungen. So wissen wir, daß bereits 1240, also 4 Jahre nach der Klostergründung, Burggraf Meinherr von Meißen dem Grünhainer Stifte 10 Dörfer (Beierfeld, Sachsenfeld, Raschau, Markersbach, Schwarzbach, Wildenau, Dittersdorf, Bernsbach, Westerfeld und Neuhausen) schenkte. Die beiden letzteren Orte sind vom Erdboden verschwunden.

Wir dürfen annehmen, daß die Grünhainer Mönche, nachdem einmal die Pflege Schlettau zu ihrem Besitzstande geschlagen war, auch in unserer Gegend ihre kolonisatorische Tätigkeit ausgeübt haben. Vielleicht — die Urkunden schweigen sich darüber aus — haben wir ihnen die Urbarmachung unserer Sumpfniederungen, die — wenn auch nur primitive — Regulierung des Laufs der Roten Pfütze zu danken, vielleicht waren sie es, die den Fischbestand der heimischen Gewässer zu bereichern suchten und manches Heilkraut auch in unserer Gemarkung einbürgerten. Das eine steht jedenfalls fest, daß Schlettau unter der Herrschaft des Grünhainer Stiftes nicht schlecht gefahren ist und daß die frommen Klosterbrüder alles versucht haben werden, das ihnen zugefallene Gebiet dem kulturellen Fortschritt zu erschließen. Das würde in noch viel größerem Maße geglückt sein, wenn nicht gerade die Zeitspanne von 1413 bis 1536 so außerordentlich viel widerliche Stürme über das Land gejagt hätte.

In die Zeit fällt nun das furchtbare Drama des Hussitenkrieges. Ich setze voraus, daß die Vorgeschichte dieses Krieges, soweit sie zum Verständnis dieser Ortsgeschichte notwendig ist, bekannt ist. 1429 war es, als die wilden fanatischen Horden der Hussiten über das Gebirge in Sachsen einbrachen. Den Ueberfall auf Schlettau schildert ein alter Chronist wie folgt: „1425 kam das Geschrei, wie die Hussiten in Böhmen willens wären, in das Meißner und Sachsenland einzufallen. Darüber erhob sich ein Schrecken. Allenthalben wurde man rege, um Städte und Schlösser warf man Gräben auf, besserte Tore und Mauern, baute Schläge und Brustwehren nach eines jeden Ortes Gelegenheit. Im Jahre 1429 fielen die Hussiten in das Städtchen Schletta ein, denn sie hatten erfahren, wie der Abt zu Grünhain, Bernhard II., auf der Kirchenversammlung zu Kostnitz (Konstanz) gegen Huß gestimmt hatte und wollten daher die Klöster Schletta und Grünhain zerstören. Ein Bewohner Schlettas hatte sich auf den Weg nach Crottendorf gemacht, da mitten im Walde sieht er einen hellen Schein und hört den Feind reden. Da er der böhmischen Sprache mächtig ist, vernimmt er, wie die Böhmen die Absicht kund tun, in der Stadt Sleten oder Sletain einzufallen. Auf Umwegen kehrt er zurück, um die Bewohner mit den Worten zu warnen: „Feinde, Feinde! Die grimmigen Hussiten!“ Wolf Bernd, der tätige Bürgermeister, trifft alle Vorsichtsmaßregeln und verteilt seine Mannschaften auf die Mauern und Türme der Stadt. Wie aber sich die Bürger verteidigen, endlich brachen die Hussiten doch durch das Pförtchen ohnweit des Elterleiner Tores in die Stadt ein und verwüsteten sie auf alle Weise.“

Ich habe schon früher dieses Hussitenunglück wiederholt gestreift, sodaß ich heute nicht noch ausführlicher auf diese Schreckenstage einzugehen brauche. Nach dem Ueberfall von Schlettau wandten sich die „böhmischen Ketzer“, wie sie damals genannt wurden, nach Grünhain. Der Abt hatte sich rechtzeitig entfernt, aber die zurückgebliebenen Mönche mußten den ganzen Bluthaß der fanatischen Hussiten erfahren. Die frommen Brüder wurden niedergemacht und die schönen Klostergebäude in Schutt und Asche gelegt. Der Schaden, den die Unholde hier anrichteten wurde auf 800 Schock Groschen geschätzt. Nach Abzug der Hussiten suchte Abt Eberhard die Schäden am Stifte sobald wie möglich wieder auszubessern. Die Stiftsgebäude mußten zum Teil von Grund aus neu aufgebaut werden — und dazu benötigte der Abt Geld. Woher aber das Geld nehmen? Da kommt ihm ein glücklicher Gedanke. Er versetzt die Herrschaft Schlettau an den Kurfürsten Friedrich den Sanftmütigen für 800 Schock Groschen. Wir sehen also wieder, daß unsere Pflege ein gutes Tausch- und Schacherobjekt gewesen sein muß.

Nachdem Abt Eberhard Stadt und Herrschaft Schlettau veräußert hatte, brauchte er nach seiner Meinung auch die Interessen von Schlettau nicht weiter zu vertreten. So kam es, daß er sogar zum Schaden der Schlettauer neue Freimärkte in seinem Sprengel einführte, wodurch natürlich die alten Schlettauer Märkte ganz bedeutenden Abbruch erlitten. Die Schlettauer stützten sich auf ihre verbrieften Rechte und wandten sich beschwerdeführend an den Kurfürsten, der im Jahre 1432 den Schlettauern ihre Freimärkte aufs neue bestätigte und dem Grünhainer Abte die Berechtigung zur Einrichtung neuer Märkte entzog. (Siehe Heft 3 des 2. Jahrganges der Heimatblätter!)

Um diese Zeit trieb eine Räubergesellschaft in der Gegend ihr Unwesen. Ich kann mich darüber aber sehr kurz fassen, da diese Episode nachstehend eine besondere Behandlung erfahren hat.

(Fortsetzung folgt.)

Schlettauer Heimatblätter. 2. Jahrgang, Nr. 6 v. 24. Februar 1927, S. 1 – 2.