Das Schlettauer Schloß (7)

Eine geschichtliche Studie von Schuldirektor Paul Thomas.

(6. Fortsetzung.)

Nach dem Hussitenkriege.

Von 1432 an wird die „politische Lage“ Schlettaus ziemlich undurchsichtig. Wir hatten doch gesehen, daß im Jahre 1413 Schloß und Amt Schlettau durch Kauf und Tausch von den Schönburgern in den Besitz des Klosters Grünhain überging. Wenn wir nun hören, wie sich 1432 die Schlettauer bei dem Kurfürsten beschweren, daß der Abt von Grünhain in seinem Sprengel neue Freimärkte – zum Schaden der seit Menschengedenken bestehenden Schlettauer Freimärkte – zugelassen hat, so finden wir das unverständlich, wenn wir annehmen müßten, daß Schlettau damals noch Bestandteil des Grünhainer Klosterbezirks gewesen wäre. Was war geschehen?

Der Schaden, den die Hussiten im Kloster Grünhain angerichtet hatten, war ungeheuer groß. Man bezifferte ihn auf 800 Schock Groschen. Die Klostergebäude waren total niedergebrannt und mußten neu errichtet werden. Um die kostspieligen Bauten ausführen zu können, benötigte man größere Geldmittel. Abt Eberhard wußte sich keinen anderen Rat, als die Pflege Schlettau zu versetzen. Der Kurfürst Friedrich der Sanftmütige war es, der die Pflege Schlettau als Pfandbesitz in die Hand nahm und dem Kloster 800 Schock Groschen vorstreckte. Das muß aber schon vor 1432 geschehen sein, denn sonst würde man sich das merkwürdige Verhalten des Klostervorstandes in der Marktstreitsache nicht erklären können. Bekanntlich bestätigte auch der Kurfürst den Schlettauern auf ihr „untertäniges“ Vorbringen ihre Freimärkte aufs Neue. Nun erzählen aber auch alte vergilbte Papiere, daß noch im Jahre 1435 der Grünhainer Abt als Collator bei der Besetzung der Schlettauer Pfarrstelle fungiert; wir lesen weiter, daß 1436 Kaiser Sigismund in seiner Eigenschaft als König von Böhmen die alten Privilegien, die 1367 Kaiser Karl IV. den Schlettauern gegeben hatte, durch Brief und Siegel aufs Neue bestätigt.

Bönhoff meint, die Schlettauer hätten sich an den Kurfürsten in der Marktstreitsache gewandt, weil dieser Schutzherr des Klosters Grünhain und Lehnsherr der Schönburger gewesen ist. Der gelehrte Annaberger Rektor Adam Daniel Richter dagegen vermutet, daß Böhmen über Schlettau die Territorial-Hoheit gehabt „biß auf Fridericum Placidum, welcher solche von Böhmen an sich und an das Haus Sachsen gebracht hat. Das Dominium utile haben die Herren von Schönburg gehabt, biß aufs Jahr 1413, darauf es an das Kloster Grünayn gekommen ist. Und so erhellet auch, daß der Churfürst Friedericus Placidus Anno 1432 den Schlettauern ihren Freymarkt als Dominus Territoralis hat confirmiren können.“

Richter begleitet die Urkunde von 1432 mit der Anmerkung, daß sowohl die Schönburger als auch der Abt von Grünhain die kurfürstliche Oberhoheit müssen anerkannt haben, weil sonst das Eingreifen des Kurfürsten ohne Wirkung geblieben sein müßte.

Es dürfte also feststehen, daß Schlettau bald nach dem Hussiteneinfall erstmals in den Besitz der Wettiner kam, wenn auch vorläufig nur als Pfandobjekt. – Aber der unwürdige Handel mit unserer Heimatscholle ging weiter, so daß man es wohl verständlich finden könnte, wenn die Schlettauer damals nicht mehr recht wußten, zu wem sie eigentlich gehörten. Dazu kam noch, daß der erzgebirgische Kreis – besonders in Bezug auf den Bergbau – von Kurfürst Friedrich dem Sanftmütigen und seinem Bruder Wilhelm III. und dem Vetter, dem Landgrafen Friedrich von Thüringen, gemeinsam regiert wurde. Die Lage wurde auch nicht viel klarer, als nach des Landgrafen Tode (1440) die beiden fürstlichen Brüder den landgräflichen Besitz unter sich teilten, über Freiberg und den Bergbaubezirk aber nach wie vor gemeinsam regierten. (Vertrag zu Altenburg 1445.)

Da brach – die direkte Ursache haben wir in der vorigen Nummer der Heimatblätter bei dem Artikel Nikel Mönch erzählt – der berüchtigte Bruderkrieg aus (1447). Wenn Schlettau in diesem Kriege auch nicht direkt in Mitleidenschaft gezogen wurde, so hat es aber unter den Nachwehen um so mehr zu leiden gehabt. Die Sache kam so: Friedrich der Sanftmütige hatte sich im Bruderkriege zum Waffendienste verschiedene Edelleute verpflichtet, unter anderen auch den Nikolaus von Lobkowitz auf Hassenstein in Böhmen. Der Hassensteiner sollte für seine Kriegsdienste jährlich 200 Schock Groschen aus der kurfürstlichen Kasse erhalten. Der Lobkowitzer war aber vorsichtig genug und ließ sich ein Pfandobjekt verschreiben für den Fall, daß der Kurfürst seinen Verpflichtungen nicht würde nachkommen können. Dieses Pfandobjekt war natürlich wiederum unser Schlettau. Man einigte sich also, daß für den Fall, daß der Kurfürst die Entschädigung für den Vasallendienst nicht würde erlegen können, der Hassensteiner das Amt Schlettau besetzen durfte.

Der Bruderkrieg ging zu Ende – aber der Nikolaus von Lobkowitz hatte noch keinen Groschen für seine Waffengefolgschaft erhalten. Die kurfürstliche Schuld war auf 600 Schock Groschen angelaufen. Da wiederholtes Mahnen nichts half, so zog der Hassensteiner kurz entschlossen die Konsequenzen aus seinem Dienstvertrag und ließ durch seinen Söldnerhauptmann Nikel Dachs Schlettau besetzen. Mit zweihundert Böhmen fiel der alte Stratege in unserer Stadt ein und ließ sich im Schlosse häuslich nieder. Diesen Handstreich des Nikolaus von Lobkowitz hat einer unserer Mitarbeiter bereits in einem besonderen Artikel (siehe Jahrgang 1, Heft 12!) behandelt, sodaß wir uns heute hier sehr kurz fassen können.

Der Kurfürst schickte aber ein starkes militärisches Aufgebot unter der Führung des Veit von Schönburg, des Antonius von Schönberg, und des Kaspar von Rechenberg, die am 23. April 1453 den Nikel Dachs zur Kapitulation zwangen. Die Auseinandersetzungen zwischen dem Kurfürsten und dem Hassensteiner zogen sich aber noch eine Reihe von Jahren hin, bis endlich 1457 in einem Vertrage zu Wolkenstein die beiderseitigen „Gebrechen“ aus der Welt geschafft wurden. Der Kurfürst hatte mittlerweile, um seinen Verpflichtungen nachkommen zu können, die Pflege Schlettau anderweitig versetzt – und zwar an den reichen Sigismund von Miltitz.

Dieser Sigismund von Miltitz scheint ein sehr rigoroser Herr gewesen zu sein, der namentlich mit dem Kloster Grünhain keinen guten Faden gesponnen zu haben scheint. Wir hören ja, wie der Abt Johannes IV., Funk genannt, den Kurfürsten inständig bittet, Schlettau wieder einzulösen, um die unbequeme und gefürchtete Nachbarschaft loszuwerden. Der Bitte wurde auch entsprochen. Der Kurfürst kaufte für 800 Schock Groschen Schlettau aus den Händen des Sigismund von Miltitz zurück und übereignete es aufs Neue dem Grünhainer Stifte. So kam Schlettau im Jahre 1464, nachdem es reichlich dreißig Jahre lang als Kauf- und Pfandobjekt durch die verschiedensten Hände gegangen war, wieder zum Besitzstand des Klosters Grünhain, und es wurde damals ausdrücklich bestimmt, daß das Kloster unser Schlettau nie wieder verkaufen oder verpfänden dürfe.

So blieb nun Schlettau unter dem Cisterzienserkloster Grünhain bis zum Jahre 1536, wo mit der Einführung der Reformation in unserer Gegend das Kloster säkularisiert wurde. In diesem Jahre wurde Schlettau dann ein kurfürstliches sächsisches Amt.

In die Zeit von 1464 bis 1536 fällt nun die erste Blütezeit des heimischen Bergbaues. Wir haben gehört, daß Kaspar von Schönberg im Jahre 1477 für seine Fundgrube „Zum Reichen Spat“ in Schlettau beim Kurfürsten um 10 Jahre Münzfreiheit nachsuchte, wir wissen, daß 1515 die Stadt Schlettau die Rechte einer „freien Bergstadt“ erhielt.

1503 trieb wieder ein Raubritter in unserer Gegend sein Unwesen. Mattes von Reitzenstein, ein auf Abwege geratener Nachkomme des uralten Edelgeschlechtes der Reitzensteiner, hatte sich die verkehrsreiche Salzstraße in unserer Gemarkung für sein schändliches Treiben ausgesucht und beunruhigte durch seine kecken Ueberfälle die Handelsleute und die Einwohner von Schlettau, sodaß sich die Schlettauer hilfesuchend an den Grünhainer Abt wandten. Dieser hat denn auch beim Amtmann zu St. Annaberg Klage geführt „über den Schaden, den seine armen Leute von der Sleten durch die Wegelagerung des Mattes Reitzenstein und seiner Untertanen erlitten haben.“ (Hauptstaatsarchiv 1503 Cop. 108, Seite 180.) Wie die Händel damals beigelegt worden sind, erzählen uns die Akten leider nicht.

Der Bauernaufstand 1525 ist auch schön im ersten Jahrgange (Heft 5) behandelt worden, aber die Vorboten der Reformation und ihre schließliche Einführung erfordern noch eine ausführliche Darstellung, die wir in der nächsten Nummer der Heimatblätter bringen wollen.

(Fortsetzung folgt.)

Schlettauer Heimatblätter. 2. Jahrgang, Nr. 7 v. 19. März 1927, S. 2 – 4.