Erinnerungen (2)

Gesammelt von Carl Klubescheidt.

Daß es unseren Schlettauer Jungens nicht an Uebermut gefehlt hat und Lehrern und älteren Leuten mancher Possen gespielt wurde, braucht nicht erst gesagt zu werden. Mancher wird sich eines solchen Dummenjungenstreiches entsinnen auf dieses oder jenes alte Schlettauer wenn´s auch damals hinterher manche „Platze“ gab. Mit der Zurückrufung ins Gedächtnis solcher harmlosen Streiche wird sich mancher entsinnen auf dieses oder jenes alte Schlettauer Original. Lassen wir uns einiges erzählen: Neubert Albert in der Kirchgasse. Die Knappschaft war bei ihm am Abend zu der üblichen Zusammenkunft. Teppiche oder Linoleum gab es damals nicht und die Stube wurde mit Stroh ausgelegt. Daß unsere Chorjungen nun gerade früher Engel gewesen wären, ist nicht behauptet worden, könnte auch schlecht bewiesen werden. Aber von den Chorjungen, die damals dabei waren, leben einige noch, und den will ich folgendes ins Gedächtnis zurückrufen: Als bekannt wurde, daß die Knappschaft sich beim Neubert Albert befand, beschloß man einen Streich. Es wurden Feuerwerkskörper gekauft und die Knappschaft sollte damit erschreckt werden. Alles klappte, denn bei solchen Unternehmungen war die Organisation immer vorzüglich. Wichtig waren die Besprechungen der Knappschaft in der Stube, während hausen die losen Buben ihren Kriegsplan zur Durchführung brachten. Bauer Albin zählte: Eins, zwei, drei! und mit lautem Krache explodierten die Unglücksdinger und alle Helden der Unternehmung flüchteten ins Weite. Zuhause wurde dann die Quittung mit unverständlicher Hand des Vaters auf den starken Teil des Hinterkörpers ausgestellt.

Auch die Gesangskunst wurde früher in Schlettau viel besser gepflegt, als es heute der Fall ist. Heute leidet die edle Gesangskunst unter der Vielseitigkeit der einzulernenden Lieder. Wer entsinnt sich da nicht gern der schönen Gesangsstunden alter Zeit, wo man auch auf die Zeiten besser Rücksicht nahm, und weil es immer Traurigkeit gab, wurden nur Lieder eingeübt, wo die Schuljugend an Frohsinn dachte. Deshalb wurde eigentlich außer einem anderen Lied auch nur dies eine Lied gelernt: „Froh zu sein bedarf sehr wenig und wer froh ist, ist ein König“. In vier Abteilungen wurde dies schöne Lied von dem Oberlehrer Gehlhofen mit einem sehr breiten Lineal eingeübt. Zur besseren Notenkenntnis und Unterstützung des Notenlesens wurde eine viereckige Schnupftabakdose benutzt, die über die Notenköpfe der Kinder geklopft wurde und wobei sich ergab, daß sich dieses Instrument wenig musikalisch eignete, weil der Inhalt teilweise über die Gesichter fiel. Trotz des Ernstes der Singstunden brachten aber die Nebenerscheinungen mit breitem Lineal und Schnupftabakdose sehr viel „Frohsinn“ in unsere Schlettauer Jungen. Möchte der Frohsinn auch jetzt beim Lesen diese Zeilen bei unseren Schlettauern in der Fremde wiederkehren in Gedanken an den Oberlehrer Gehlhofen, dem damit auch ein stilles, dankbares Gedenken an den schönen Frohsinn gebracht werden soll. Möge er den König in seiner ewigen Ruhe gefunden haben, den er seinen Schülern so oft in der Gesangsstunde im Frohsinn gelehrt hat.

Hast Du auch eine „Schwappe“ gekriegt, weil Du nicht „Kaiser“ sagtest? Einst Bismarck, einst Moltke und so ging es bei der Musik voran, Aushebungen wurden in der Nähe der Beyerscheune vorgenommen für die zukünftigen Vaterlandsverteidiger, und so lebt in unserer schönen Erinnerung unser Albin Weißbach.

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Schlettauer Heimatblätter. 1. Jahrgang, Nr. 3 v. 15. November 1925, S. 8