Von der Schlettauer Postanstalt (2)

Von Gottfried Thomas, Brandenburg.

(1. Fortsetzung.)

Aus unseren bisherigen Nachforschungen ergab sich, daß Sachsen erst hundert Jahre nach Erschaffung der Reichspost durch Franz von Tassi-Torriani zu einer solchen Einrichtung kam. Ergänzend muß hinzugefügt werden, daß neben der damaligen Reichspost noch eine Art von Staats- oder Landposten bestand. Diese Posten waren aber mehr oder weniger fürstliche Botendienste oder nur bescheidene Anfänge oder dürftige Nachahmungen der Reichspost. Erst nach und nach begannen die einzelnen Regenten mit dem Ausbau und der Vervollkommnung ihrer Landespostanstalten. Während Preußen schon unter dem Großen Kurfürsten (1640 – 1688) einen gewissen internationalen Postverkehr einrichtete, der sogar mit der Reichspost konkurrierte, scheinen die kursächsischen Landesherren sich hierbei mehr Zeit gelassen zu haben. Da Schlettau an der alten Kauffahrteistraße nach Böhmen lag, sollte man auch mit einem frühen Vorhandensein einer Postanstalt rechnen können. Die Kurfürsten von Sachsen, seit August dem Starken auch Könige von Polen, bedachten aber zunächst nur die Umgebung von Dresden und die Lausitz mit einem geregelten Postverkehr, da auf diesem Wege die Nachrichten zwischen Sachsen und Polen zu vermitteln waren. Daraus geht hervor, daß die Postanstalten in Sachsen ihre Entstehung weniger den wirtschaftlichen Bedürfnissen des Landes als vielmehr den Privatinteressen der jeweiligen Fürsten verdanken.

Aus diesem Grunde erklärt es sich auch, daß abermals nahezu hundert Jahre ins Land gingen, ehe die Stadt Schlettau eine Postanstalt erhielt. Die hiesige Postexpedition hat ihre erstmalige Einrichtung in der Hauptsache den Bittschriften und Gesuchen des hier stationiert gewesenen Acciseinnehmers Johann Gottfried Jakobi zu verdanken. (NB. Die Akzise war das Steueramt, der Einnehmer hatte wohl in erster Linie die sogenannten Verzehrsteuern zu erheben.) Schon im Jahre 1817 setzte sich Jakobi mit der Regierung in dieser Angelegenheit in Verbindung. Wie wir seiner Bittschrift entnehmen, bestand bereits damals zwischen Annaberg und Schneeberg ein geregelter Postverkehr. Auf dieser Postlinie war in Scheibenberg ein sogenannter „Briefsammler“ stationiert, der die Bestellung und die Abholung der Postsendungen bei der Durchfahrt auch in Schlettau zu besorgen hatte. In dieser Art der Bestellung hatten sich aber nachgerade viele Unzuträglichkeiten herausgestellt, und diese Mängel sind es, die Jakobi in seinem Gesuche hervorkehrt und daraus die Notwendigkeit der Eröffnung einer Postexpedition in unserer Stadt als nicht länger aufschiebbar hinzustellen weiß. Verschiedene Bemerkungen in Jakobis Bittschriften kennzeichnen treffend den damaligen wirtschaftlichen Stand der Stadt. Er führt als Gründe für sein Gesuch folgendes an:

  1. Schlettau hat jetzt einige gelernte Kaufleute, die mit dem In- und Auslande mehr oder weniger in Verbindung stehen.
  2. Schlettau hat mehrere Posamentierer, die das Geschäft als Verleger treiben, bei gutem Geschäftsgang einen ansehnlichen Eingang und Abgang von Materialien und gefertigten Waren haben.
  3. Die hier bestehende Spinnmaschinenfabrik hat einen bedeutenden Abgang.
  4. Seit einigen Monaten ist das königliche Forstamt wieder hierher verlegt worden.
  5. Steuerprokurator Mey hat als Rechtskonsulent eine sehr ausgebreitete Korrespondenz.
  6. Es haben auch viele andere Personen ähnliche entfernte Verbindungen, die durch Briefwechsel und andere Geschäfte belangreich sind.

Die Landesregierung war aber nicht sogleich bereit, dem Gesuche Jakobis stattzugeben. Erst am 25. September 1822 erschien in der Leipziger Zeitung folgende Bekanntmachung:

„Dem korrespondierenden Publiko wird hierdurch bekannt gemacht, daß zu Schlettau bei Annaberg eine Postexpedition eingerichtet worden ist, welche am ersten Oktober d. J. eröffnet wird.

Die Posttage für das Orts-Publikum sind bei dem wöchentlich zweimal durch Schlettau von Annaberg nach Schneeberg und zurück gehenden Postwagen Sonntags, Montags, Donnerstags und Freitag, und für die vom ersten Oktober ds. Js. in Gang kommenden Cariol-Post [1] zwischen Zwickau und Annaberg über Schneeberg Dienstags und Mittwochs.

Das Porto von Schlettau nach Annaberg und Scheibenberg so wie nach Schneeberg für die über letzteren Ort weitergehenden Sachen ist nach folgenden Sätzen bestimmt worden, als

  1. für den einfachen Brief ¼ Groschen,
  2. für 100 Thaler in Silber, Gold oder Cassenbillets: 2 Groschen,
  3. für 100 Pfund Packereien überhaupt: 8½ Groschen.“

Es heißt dann in der Bekanntmachung noch weiter:

„Und wird noch bemerkt, daß zwischen Schlettau und Schneeberg für Gegenstände, welche blos von einem nach dem anderen Ort versendet werden, besondere Local-Taxen bestehen, worüber bei der Post-Expedition in Schlettau nähere Auskunft erlangt werden kann.

Leipzig, den 20. September 1822.

Das Königlich sächsische Ober-Postamt.“

Der Accis-Einnehmer Christian Friedrich Jakobi wurde als erster Postexpedient angestellt. Er erhielt für seine Dienste vierteljährlich 4 Thaler, und für Besorgung der Botengänge (einmal wöchentlich nach Annaberg und Scheibenberg) außerdem vierteljährlich 3 Thaler 6 Groschen.

Nach Jakobis Versetzung wurde sein Nachfolger General-Accis-Einnehmer Premier-Leutnant Reschke mit der Verwaltung des Postamtes betraut, dem 1826 Christian Friedrich Lorenz im Amte folgte. Lorenz starb nach ganz kurzer Zeit. Seine Stelle übernahm Friedrich August Schröder.

Wo aber war die Postexpedition in Schlettau untergebracht?

Die auf dem hiesigen Postamt geführte kleine Chronik, die irrtümlicherweise die Errichtung unserer Postexpedition erst in das Jahr 1834 verlegt, gibt uns darüber nur ungenaue Auskunft. Erst in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts werden die Aufzeichnungen genauer. Es heißt dort: „Seit dem 1. Januar 1881 befindet sich dieselbe im Hause Nr. 15 am Markt.“

Ältere Leute besinnen sich noch sehr wohl, daß tatsächlich früher im Hause Nr. 15 (Bäckermeister Graupner am Markte) und zeitweise im Hause Pilz (Markt Nr. 7) die Stephansjünger ihr Wesen trieben. Auch in dem Hause der Witwe Märkel (Schnittwarengeschäft), Schwarzenberger Straße, amtierte der Postexpedient jahrelang. Dann war die Post in das Haus der Botenfrau Schmidt (gegenüber vom Rathaus) verlegt worden. Diese Häuser scheinen z. T. für Botendienste prädestiniert = vorausbestimmt gewesen zu sein. Nr. 15 wohnte ja auch der uns allen noch gut bekannte Botenmann Breitfeld, ein altes Schlettauer Original, den unser Volkswitz mit dem Spitznamen „Schnellpost“ treffend charakterisiert hatte. Im Hause 10 betreibt aber schon seit vielen Jahren die Familie Schmidt das Geschäft des Botenmannes, freilich nicht mehr mit dem Tragkorb auf dem Rücken wie Breitfeld seligen Angedenkens, sondern zeitgemäß mit zweispännigem Fuhrwerk.

Vor der Erbauung des neuen Postgebäudes an der Schwarzenberger Straße (1895) bezog das Postamt noch das Eckhaus am Bernhard-Greifenhagenplatz, in dem sich heute die Fabrikationsräume der Posamentenfabrik von Rudolph Greifenhagen (in Firma M. Greifenhagen & Co.) befinden. Die Eröffnung des eigens zu dem Zwecke erbauten Postgebäudes Nr. 171E erfolgte am 1. April des genannten Jahres. Der Postverkehr hat sich aber in Schlettau dermaßen entwickelt, daß die vorhandenen Räume schon längst nicht mehr ausreichen wollen und daß der Wunsch nach einem größeren, den erhöhten Anforderungen genügenden Postgebäude immer lauter wird.

[1] Cariol = besser Karriolpost, leichte zwei- oder vierräderige Wagen, also Schnellpost.

(Fortsetzung folgt.)

Schlettauer Heimatblätter. 2. Jahrgang, Nr. 3 v. 15. November 1926, S. 7 – 9.