Von Schuldirektor Paul Thomas.
Wenn man sich im Anblick der vielen Feste, die trotz des Ernstes der Zeit gefeiert werden, die Frage vorlegt, welche von diesen Festen eigentlich eine gewisse Berechtigung haben, dann dürften gerade die Heimatfeste auf allgemeine Anerkennung rechnen können. Und warum? Heimatfeste sind keine Standes-, keine Gruppenfeste; sie ziehen in ihren Bannkreis nicht bloß eine eng begrenzte Teilschicht der Bevölkerung eines Ortes, sondern sie haben etwas Allumfassendes in sich, das sie gewissermaßen zum „Feste aller Feste“ macht. Jedes Fest, das wir Menschen zu feiern uns anschicken, dient ja letzten Endes einer Idee; ein Grundgedanke ist es, um den sich alle Festteilnehmer scharen, der eine mehr, der andere weniger mit innerer Anteilnahme ausgerüstet.
Ganz anders bei einem Heimatfest! Das Heimatgefühl ist jeder Menschenbrust eigen. Wenn es sich vielleicht auch in den verschiedenen Charakteren und Temperamenten verschieden stark auslöst, ein Herz, das jeder Heimatliebe bar wäre, ist schlechterdings nicht denkbar. Das Heimatgefühl kennt keine politische, religiöse und soziale Abschattierung. Hierin sind alle Kreise und alle Schichten der Bevölkerung auf denselben Ton gestimmt. Die sonst getrennt marschieren mögen, hier reichen sie sich die Hand zum gemeinsamen Dienst für ein Großes, Herrliches, das uns die Welt gegeben hat. Dieses Gemeinschaftsempfinden ist es nun aber, das gerade in so schwerer Zeit gepflegt werden muß: in der Zeit der Wiederaufbauarbeit, wo jede innere Spaltung eine Hemmung bedeuten würde.
Der Gedanke, Heimatfeste zu feiern, ist noch gar nicht so alt. Sie treten eigentlich erst in die Erscheinung, als das Gegensätzliche in der Weltanschauung sich mehr und mehr herausbildete. Da, als man merkte, daß das Volk Gefahr lief, aus seinem inneren Zusammenhang gerissen zu werden, schaute man nach Mitteln und Wegen aus, wie solch drohendes Verhängnis vom Volke abzuwenden sei. Es ist noch kein Menschenalter her, daß man die ersten Heimatfeste veranstaltete, aber gleich die ersten Versuche erbrachten den Beweis, daß man mit solchen Veranstaltungen tatsächlich den glücklichsten Griff getan hatte. Die Städte und Dörfer, die schon derlei Feste abgehalten haben, wollen nie mehr darauf verzichten; und so kennt man bereits viele Orte, wo in regelmäßigen Abständen die Heimatfeste wiederkehren. Und bei jeder Wiederholung hat sich’s gezeigt, daß die alte Heimat ihre Zugkraft nicht verloren hat, sondern daß, je öfter sie ihre Kinder zusammenruft, der Zug nach der Heimat immer stärker und stärker wird.
Was Heimat ist, das wissen ja eigentlich nur die richtig zu schätzen, die vom Lebensschicksal in die Fremde verschlagen wurden. Erst wenn man fern von der Heimat sein Wesen und sein Tagewerk treiben muß, dann gewinnt das, was in der Heimat vorgeht, an Reiz und Bedeutung.
Aber ein noch viel höherer Gedanke! Die Heimatliebe ist die Keimzelle der Vaterlandsliebe, hat einer gesagt; und so wollen wir, indem wir Heimatfeste feiern, auch die Vaterlandsliebe in der Brust schüren, daß sie wieder aufflammt und alle durchglüht und den Willen zur Tat reifen läßt. Das Treubekenntnis zum Deutschtum soll in diesen Heimatfesten feierlich erhärtet werden.
Bei der Feier der Heimatfeste muß aller Parteihader verstummen. Alle Gegensätze kultureller und weltanschaulicher Art müssen eingeebnet werden. Der Heimatgedanke, der uns alle umspannt, wird eine Quelle des Segens werden, ein Balsam zur inneren Gesundung!
Schlettauer Heimatblätter. 1. Jahrgang, Nr. 2 v. 15. Oktober 1925, S. 1 – 2